Finanzbildung: Deutschland ist ein Entwicklungsland

Vor ein paar Tagen habe ich wieder einen Online-Workshop an der Uni gehaltenThemenschwerpunkt: Finanz-Basiswissen – „Wie funktioniert eine Aktie?“, „Was bedeutet Inflation?“, „Was ist eigentlich ein ETF?“ etc. Und wieder einmal bekam ich zum Schluss von einigen Teilnehmer/innen das Feedback: Mensch Ina, vielen lieben Dank. Ich habe das Gefühl, dass ich noch nie so viel in so kurzer Zeit gelernt habe! Ein bitteres Fazit für die universitäre Ausbildung, keine Frage. Aber genauso ist es auch nicht in Ordnung, dass junge Leute anscheinend über so viele Jahre Fragezeichen im Kopf mit sich herumtragen, die man innerhalb von zwei Stunden relativ unkompliziert in Aha-Momente umwandeln kann.

Mein Fazit nach fast fünf Jahren als Finanzcoach ist, dass die Industrienation Deutschland im Bereich der Finanzbildung ein absolutes Entwicklungsland ist. Die Deutschen waren noch nie so wohlhabend und gleichzeitig so arm – Stand 2019 lagen über 2,6 Billionen EUR (das sind 2.600 Milliarden EUR!) in deutschen Haushalten unverzinst herum, schlummern auf Sparbuch, Girokonto & Co. und werden leise, still und heimlich von der Inflation aufgefressen. Das merkt man natürlich nicht sofort, schließlich steht auf den Kontoauszug immer die gleiche Zahl, Schwarz auf Weiß.


Wenn ich mir aber über einen längeren Zeitraum ansehe, wie viel weniger ich mir für diesen Betrag X kaufen kann, dann sollten eigentlich schon lang die Alarmglocken schrillen. Jeder von uns hat im Alltag schon erlebt, dass Dinge teurer geworden sind. Am einfachsten ist immer der Vergleich anhand der kleinen Konsumgüter: Wer erinnert sich noch an die Zeit, als eine Kugel Eis 0,80 EUR gekostet hat? Oder sogar 0,80 DM? Als man für ein Kinoticket nur 5 EUR zahlen musste (und zwar nicht nur am Kinotag)? Vom vielzitierten Bierpreis auf dem Oktoberfest und von den stetig steigenden Mietpreisen will ich gar nicht erst anfangen.

Inflation ist deswegen so fies, weil sie schleichend kommt. Man bemerkt sie häufig erst im Rückspiegel, wenn man sich einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren anschauen kann. Das ist wie bei einem Kochtopf, den ich auf den Herd stelle und dann die Temperatur aufdrehe: Das Wasser im Topf wird allmählich immer wärmer. Und irgendwann kocht es. Genau das passiert auf den Sparbüchern der Bundesrepublik, dem Vermögen wird es allmählich „zu heiß“. Deshalb helft bitte eurem Geld! Rettet es vor der Inflation!

Wie? Nunja, eigentlich ist es ganz einfach. Wir müssen schlicht und ergreifend eine Anlageform finden, mit der wir jedes Jahr die Inflation schlagen können. Mehr ist nicht dabei, eigentlich. Doch das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass ich dem liebgewonnenen Tagesgeldkonto, Girokonto und Co. den Rücken kehren muss und mich aufmachen muss zu neuen Ufern. Deshalb ist die logische Anschlussfrage: Traut ihr euch? Traut ihr euch, aus dem Kochtopf zu klettern, bevor… naja, da wird der Vergleich vielleicht etwas grausig. Trotzdem mag ich das Bild sehr gern, denn es verdeutlicht den tatsächlichen Ernst unserer Lage.

Also, her mit den Zinsen! Doch zu welchem Preis? Ohne Risiko einzugehen gibt es so gut wie keine Zinsen mehr. Zumindest keine, die auch nur annähernd an die durchschnittliche Inflation herankommen würden. Wenn ich mich bspw. bei einem Versicherer für ein Garantieprodukt entscheide, darf der mir nur 0,25% (Stand 03.2022) Verzinsung garantieren. Schon 2020 wurde stark diskutiert, ob diese Garantie nicht noch weiter abgesenkt werden sollte. Bei einer Inflation von historisch durchschnittlich 2% wird schnell klar: Das ist kein guter Deal. Wenn ich eine wirkliche Chance haben möchte, muss ich mich von der Vorstellung verabschieden, dass hohe Renditen und größtmögliche Sicherheit zusammenpassen.

Jetzt könnt ihr sagen: Ja aber Ina, du hast uns vor Kurzem doch erst erzählt, dass Risiko eine Zukunft ist, die eben nicht eintreten soll. Stimmt! Wenn es um Vermögensaufbau geht (also um die Verbesserung meines Lebensstandards), dann halten sich idealerweise aber zwei Aspekte die Waage, zwei bei der vernünftigen Geldanlage untrennbare Geschwister: Risiko und Chance. Wenn ich nicht bereit bin, ein bisschen aus meiner Komfortzone herauszugehen und ein Risiko einzugehen, habe ich auch keine Chance. Chancen ergreifen heißt auch immer ein Wagnis einzugehen – Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Natürlich nicht zwingend ein unkalkulierbares Wagnis, wir sind ja nicht beim Glücksspiel. Sondern idealerweise genau so viel Risiko, dass es sich für meinen gewünschten Anlagehorizont auch auszahlt.

Was heißt das übersetzt? Wenn ich mein Geld „sicher“ auf mein Girokonto lege (bzw. es dort horte), dann ist nur eines wirklich sicher: Dass das Geld weniger wert wird. Wenn ich mein Geld anlege und Wertschwankungen für einige Zeit in Kauf nehmen kann, dann ist das keine sichere Anlage. Dafür aber eine chancenorientierte Anlage.

Das bedeutet nicht, dass jetzt jeder wie wild und planlos in irgendwelche Aktien oder ETFs investieren sollte. Es kommt v.a. auf die richtige Strategie an, ob meine Anlage ein Erfolg wird oder nicht. Ein Laie wird sich sehr schwertun, den Dschungel an Möglichkeiten jenseits der Nullzins-Produkte zu durchschauen. Idealerweise holt man sich also einen Experten oder eine Expertin ins Boot, der/die den Weg durch den Dschungel kennt und vor giftigen Schlangen warnt.

In diesem Zusammenhang ein ganz wichtiger Tipp von mir, vielleicht der wichtigste überhaupt: Fragt nach! Es gibt keine dummen oder unnötigen Fragen. Informiert euch bei zuverlässigen und kompetenten Leuten, die sich beruflich mit nichts anderem als Finanzen beschäftigen. Löchert eure/n Berater/in so lange, bis ihr verstanden habt wie euer Anlageprodukt funktioniert, bevor ihr etwas unterschreibt. Wissen ist Macht. Je mehr ich weiß, desto gezielter kann ich meine Entscheidungen für meine Geldanlage treffen und kann den Kochtopf unbeschadet verlassen. Wenn ihr dann wiederum nach ein paar Jahren in den Rückspiegel schaut, wenn die Kugel Eis bis dahin schon 8,00 EUR kostet, dann habt ihr euch parallel hoffentlich so ganz nebenbei ein schön dickes finanzielles Polster aufgebaut und werdet trotzdem nicht aufs Kino verzichten müssen.

In diesem Sinne – Möge die Macht mit euch sein!

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Niko-Röhrle-Makler

Hi! Ich bin Niko – Gründer von mon(k)ey and peanuts. Wir sind Ende 2021 mit unserer jungen, digitalen Finanzbildungsplattform gestartet. Unser Ziel ist es euch mit frischem Wind auf das finanzielle Leben vorzubereiten, damit ihr selbstbestimmte Finanzentscheidungen treffen könnt – objektiv & unabhängig zu allen Finanzthemen rund um Altersvorsorge, Geldanlage, Versicherungen & Karriere.

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